Erziehung: Hundeschule oder nicht?

Credits: Stephanie Becker

Sitz, Platz, Bleib: Die meisten Hunde beherrschen die Grundkommandos ohne Probleme. Doch wie sieht es bei anderen Dingen aus, Stichwort „Rückruf“? Kann eine Hundeschule dabei helfen oder nicht?

Als ich Filou vor circa zwei Jahren adoptiert habe, war ich mir sicher, dass ich niemals mit ihm in eine Hundeschule gehen würde. Zum einen wollte ich den Kleinen nicht überfordern, da seine ersten sieben Lebensmonate absolut nicht schön waren. Die Vorstellung, mit mehreren fremden Hunden plus Menschen auf einem Platz zu stehen, missfiel mir. Zum anderen war ich davon überzeugt, dass ich das alleine schaffen würde. Schließlich hatte ich viel Fachliteratur gelesen und mich schon jahrelang mit dem Thema „Hund“ auseinandergesetzt. Doch ich sollte eines Besseren belehrt werden…

Filou beherrschte die klassischen Grundkommandos recht schnell. Auch sonst ist er ein eher unkomplizierter Hund. Er orientiert sich stark an mir und vertraut mir bei neuen Dingen, was ein riesiger Vorteil ist. Doch aufgrund seiner Vorgeschichte – die ich nicht bis ins Detail kenne und wahrscheinlich auch gar nicht kennen möchte – hat er ein Problem bei Hundebegegnungen. Kurz gesagt: Er pöbelt an der Leine, und das nicht zu knapp. Schon oft hörten wir Sätze wie: „Ach, das überrascht mich jetzt, dass ein so niedlicher Hund so aggressiv sein kann“.

Leinenaggression: Schlechtes Verhalten gleich schlechter Hund?

Und da ist es auch schon, das böse Wort…„aggressiv“. Auch als ich mich genauer mit der Thematik befasste, hab ich oft den Begriff „Leinenaggression“ gelesen, den ich persönlich total bescheuert finde. Dabei wird der Hund nur auf das negative Verhalten reduziert, doch das eigentliche Problem, das dahinter steckt und dieses negative Verhalten erst auslöst, gerät komplett in den Hintergrund. Man erreicht damit nur eins: Der Hund bekommt einen Stempel verpasst.

Laut Duden bedeutet „aggressiv“ so viel wie „angriffslustig“ oder „streitsüchtig“. Beides Dinge, die auf Filou so gar nicht zutreffen. Doch wie soll man das anderen Hundehaltern so schnell beim Vorbeigehen erklären? Oder anderen Leuten, die die Situation beobachten und einfach nur den Kopfschütteln? „Der Hund ist nicht erzogen“, heißt es dann. Oder „die hat ihren Hund nicht im Griff“. Daran, dass Filou sich anderen Hunden gegenüber so verhält, weil er einfach nur verunsichert ist oder die Situation mit einem echt miesen Erlebnis aus seiner Vergangenheit verknüpft, denkt niemand.

Hundeschule: Den eigenen Hund besser verstehen lernen

Ich hab mich durch sämtliche Ratgeber und Hundeblogs gelesen, hab einige Methoden versucht und andere einfach nur kopfschüttelnd abgetan. Mein großes Ziel war es, Filou zu helfen. Denn ich merkte jedes Mal mehr, dass es Filou enorm stresste, wenn er dieses negative Verhalten an der Leine zeigte. Er pöbelte nicht einfach nur, um zu pöbeln. Er pöbelte, weil er überfordert war. Und mir zerbrach es jedes Mal das Herz, weil ich ihm so gerne helfen wollte, aber nicht konnte. Also kam ich über kurz oder lang an den Punkt, an dem eine Hundeschule die einzige Option war. Dazu muss gesagt werden, dass meine Skepsis gegenüber Hundeschulen/ Hundetrainern durchaus begründet ist, doch dazu mehr in einem anderen Artikel.

Nach einigen Recherchen haben wir tatsächlich eine Hundeschule bei uns gefunden, die einen wirklich vernünftigen Eindruck macht. Da wird nicht der Hund für den Menschen so angenehm wie möglich zurecht gebogen, sondern der Mensch lernt, den eigenen Hund und dessen Verhalten besser zu verstehen. Er lernt, wie er seinem Hund am besten helfen kann und vor allem lernt er, die Körpersprache des Vierbeiners richtig zu deuten.

Nun ist es so, dass selbst der beste Hundetrainer keine Wunder vollbringen kann. Was vielleicht manchem Hundebesitzer nicht ganz klar ist. In der Hundeschule bekommt man lediglich ein paar Tipps an die Hand, was man damit anfängt, muss jeder selbst entscheiden. Wir haben entschieden, dass wir das Beste daraus machen.
Seit ein paar Wochen besuchen wir regelmäßig eine Hundegruppe am Wochenende und zusätzlich haben wir noch Einzelstunden, einfach um intensiver an bestimmen Dingen (Pöbeln an der Leine) arbeiten zu können.

Fazit: So schwer es mir anfangs gefallen ist, mit Filou eine Hundeschule zu besuchen, so dankbar bin ich heute, dass ich diesen Schritt gewagt habe. Ich hätte mich garantiert noch durch zig weitere Hunderatgeber lesen können, doch diese sind nunmal sehr allgemein gehalten und können nicht die individuelle Geschichte eines Hundes berücksichtigen. Gewisse Erziehungsmethoden können vielleicht bei einzelnen Hunden funktionieren, bei anderen Hunden verschlimmern sie im dümmsten Fall das Problem.
Ein (erfahrener und ausgebildeter) Hundetrainer, der den eigenen Vierbeiner und dessen Verhalten live erlebt und analysiert, hat jedoch die Möglichkeit, das Training individuell an den eigenen Hund und dessen Bedürfnisse anzupassen.

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