Sozialkontakte: Braucht ein Hund zwangsläufig andere Hunde?

credits: Stephanie Becker

Ein Hund braucht Kontakt zu Artgenossen. Das kann man in so ziemlich jedem Hunde-Ratgeber nachlesen. Doch wie genau sollte dieser Kontakt aussehen? Und was ist zu tun, wenn der eigene Hund nicht mit Artgenossen umgehen kann?

Richtig und wichtig ist, dass insbesondere Welpen Sozialkontakt zu Artgenossen brauchen. Gerade in den ersten acht bis zwölf Lebenswochen, also während der Prägephase, ist es notwendig, dass die Kleinen positive Erfahrungen mit anderen Hunden sammeln. Geschieht dies nicht, kann dies nachhaltige Auswirkungen auf den späteren Umgang mit anderen Hunden haben.
Doch dies bedeutet nicht, dass der eigene Hund auf Biegen und Brechen mit jedem x-beliebigen Hund spielen muss – allerdings scheint dies unter Hundehaltern ein weitverbreiteter Glaubenssatz zu sein.

Folgendes Szenario ist Filou und mir schon gefühlt tausend mal passiert: Ich bin mit dem Kleinen im Freilauf unterwegs. Von Weitem sehe ich, dass uns ein anderer Mensch mit Hund- ebenfalls abgeleint- entgegen kommt. Ich nehme Filou an die Leine und rufe dem Gegenüber zu, dass er seinen Hund doch bitte auch zu sich nehmen soll. Darauf kommt meist „Meiner macht nichts“ oder „Ach, lassen Sie die doch miteinander spielen“. Nach einer weiteren Anlein-Aufforderung meinerseits geschieht dies im Idealfall auch – allerdings nicht, ohne mir noch mal vorzuwerfen, wie fies dass doch von mir sei, meinen Hund nicht mit anderen spielen zu lassen. Schließlich sei das ja wichtig und Hunde können nur glücklich sein, wenn sie regelmäßig mit anderen Spielen.

Hat mir das anfangs ein schlechtes Gewissen gemacht? Ja. Doch mittlerweile lächle ich nur milde darüber und rege mich eher darüber auf, wie unverantwortlich die anderen mit ihren Hunden umgehen. Denn, selbst wenn wir davon ausgehen, dass der andere Hund garantiert „nichts macht“, ist ja nicht gesagt, wie Filou reagiert, geschweige denn, ob einer der beiden Hunde die ganze Begegnung überhaupt möchte.
Deshalb sollte man bei der ganzen „Hunde brauchen Sozialkontakte“-Thematik ein paar Richtlinien beachten:

1) Nicht jeder andere Hund ist zwangsläufig ein Freund

Um diesen Punkt verständlich zu machen, sollten wir (mal wieder) die Perspektive wechseln. Stellt Euch vor, ihr lauft mit Eurem Partner durch die Stadt. Euer Partner freut sich schon, Zeit mit Euch zu verbringen. Doch anstatt ihm Eure volle Aufmerksamkeit zu widmen, quatscht ihr jeden anderen Menschen an, der vorbei kommt: „Hey, ach cool, mein Partner ist auch ein Mensch. Wollt ihr mal zusammen ein Bier trinken gehen? Oder einfach kurz mit uns ein bisschen spazieren gehen?  Jetzt gleich?“ Dein Partner hat gar keine andere Wahl, fühlt sich sichtlich unwohl aber macht es Euch zu liebe mal mit. Selbst wenn er diese Menschen garantiert nie mehr wieder sehen wird.
Klingt kurios und absolut unvorstellbar? Richtig. Aber mit Hunden läuft es meist genau so ab. Man geht in Ruhe spazieren, trifft zufällig einen anderen Hundebesitzer und sofort wird vorausgesetzt: das sind zwei Hunde, also müssen die miteinander spielen.

Gerade mit einem vorsichtigen, unsicheren Hund wie Filou ist das undenkbar, denn er braucht erstmal Zeit, um das Gegenüber in Ruhe abzuchecken. Drei Treffen sind da das Minimum. Aber wieso sollte ich meinen Hund den Stress mit einem fremden Hund geben, wo ich doch gar nicht weiß, ob ich den jemals wieder sehen werde?

Echte Hundefreundschaften müssen sich genau so aufbauen wie die von Menschen. Da reicht nicht jeder x-beliebige dahergelaufene.

2) Das Geschlecht spielt eine wichtige Rolle

Ja, es kann zwischen zwei Rüden funktionieren. Vielleicht, wenn beide unkastriert sind. Oder, wenn sie sich schon seit mehreren Jahren kennen. Aber biologisch gesehen gibt es ja für zwei Rüden gar keinen Grund, sich zu vertragen und zu spielen. Immerhin können sie sich mit dem anderen nicht fortpflanzen, im Gegenteil, er ist vielleicht sogar Konkurrenz.
Es mag einige Ausnahmen geben, aber prinzipiell ist es für unsere Hunde nicht einleuchtend, warum gleichgeschlechtliche „Freundschaften“ oder „Playdates“ überhaupt stattfinden sollen.

3) Erwachsene Hund spielen nur sehr selten

Dass Welpen und Junghunden die soziale, spielerische Interaktion mit Artgenossen brauchen, habe ich ja oben bereits erwähnt. Sie lernen dadurch die hundeeigene Interaktion und es fördert deren Entwicklung. Doch erwachsene Hunde haben diese Entwicklung bereits durch, so benötigen das Spiel nicht mehr und sind in der Regel sogar recht glücklich mit ihrer Mensch-Familie. Es ist für Hunde nämlich wahnsinnig anstrengend ständig neue Hundebekanntschaften schließen zu müssen. Und wenn erwachsene Hunde „spielen“ ist es in den meisten Fällen sexuell oder territorial getrieben, was ja eigentlich nicht Sinn der Sache ist.
Also freut Euch doch einfach, dass Euer Hund am liebsten Zeit mit Euch verbringen möchte und schickt ihn nicht ständig zu irgendwelchen anderen Hunden zum spielen – das artet nämlich häufig in unnötigem Stress auf beiden Seiten aus

4) Möchte mein Hund überhaupt Spielen?

Nur weil der eigene Hund immer zu anderen Hunden hinzieht, bedeutet das nicht, dass er auch mit ihnen spielen möchte. Vielleicht möchte er einfach nur abchecken, ob Gefahr vom anderen ausgeht und ist eigentlich ganz froh darüber, dass er nicht länger Zeit mit ihm verbringen muss.

Generell ist das wirkliche „spielen“ unter Hunden sehr komplex. Wird z.B. immer nur einer der beiden Hunde gejagt, mag das für uns Menschen witzig aussehen, aber für den Gejagten ist es der pure Stress. Daher sollte man den eigenen Hund sehr genau beobachten und nichts „menschliches“ reininterpretieren, was gar nicht da ist.

Fazit: Geht man vom erwachsenen Hund aus, braucht er nicht zwingend Kontakt zu anderen Hunden. Es sei denn, er kennt diese schon länger, ist z.B. mit ihnen aufgewachsen. Wenn er sich aber bei seiner Mensch-Familie wohlfühlt, hat er eigentlich alles, was er braucht. Für ältere Hunde zählt das noch mehr, denn diese möchten einfach nur noch ihren Lebensabend genießen.

6 Gedanken zu “Sozialkontakte: Braucht ein Hund zwangsläufig andere Hunde?

  1. monimonikablog 22. März 2020 / 17:13

    kann ich alles nur bestätigen. Filou und Tom sind Seelenbrüder.

  2. >> Fiete & Me << 28. März 2020 / 08:44

    Den Beitrag finde ich sehr interessant, bzw das Thema ansich. Ich habe mich damit auch beschäftigt und einen Beitrag bei uns verfasst zum Thema Leinenkontakt konkret. Das ist für uns gar nicht mehr drin – Fiete ist ein Kandidat, der bei Rüden echt doof wird, nicht bei allen, aber die 50:50 Chance will ich nicht probieren.

    Ich bemühe mich auch, meinen Hund schnell anzuleinen, wenn uns ein solches Paar entgegen kommt…. wenn andere Besitzer ihren Hund auf meinen Hund unangeleint loslassen, dann bin ich immer so pöbelig, dass sie ganz schnell beschämt abdampfen 😀 Bei uns gibt es Kontakt nur noch im Freilauf…

    Schönes Wochenende 🙂

    • Filous Frauchen 3. April 2020 / 10:42

      Kontakt an der Leine ist bei uns ein absolutes No-Go.

      Es wäre auf jeden Fall um einiges entspannter beim Gassigehen, wenn es mehr Gassigänger wie Euch geben würde 😀

      Euch auch ein schönes Wochenende 🙂

  3. mamatier 5. April 2020 / 16:10

    Kann ich nur unterschreiben. Meine Kaya ist eine etwas unsichere Hündin. Sie ist von Geburt an taub, hat schlechte Erfahrungen gemacht und einfach sehr wählerisch, was Sozialkontakte angeht. Inzwischen kenne ich sie wirklich sehr gut (und sie mich auch). Und sie zeigt wirklich sehr deutlich lesbar, mit wem sie Kontakt wünscht und mit wem nicht. Ich respektiere das und vermittle es auch immer wieder den Hundehaltern, die, wie oben bereits beschrieben, es nicht wirklich immer einsehen und diverse, teilweise abenteuerliche Argumente vorbringen, um mich davon zu überzeugen, wie falsch ich meinen Hund behandele…. und ganz ehrlich, es ist wirklich sehr entspannend, wenn wir beiden „Alten Weiber“ ganz allein durch die Landschaft streifen und die Ruhe und unsere gemeinsame Zeit genießen… was kann daran verkehrt sein.

    • Filous Frauchen 7. April 2020 / 08:23

      Diese endlosen Diskussionen mit anderen Hundehaltern sind wirklich nervig, aber mit der Zeit lerne ich, dann einfach zu gehen und es zu ignorieren…ist zwar nicht höflich, aber anders scheinen sie es nicht zu verstehen 😀
      Es ist doch wunderbar, dass ihr so ein tolles Team seid 🙂 Mehr braucht es doch gar nicht 🙂

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