
Gewusst? Weltweit gibt es geschätzt 800 Hunderassen. Eine ganze Menge. Und die Vielfalt bei Größe, Haarkleid und Körperbau ist enorm. Aber woher kommen diese Rassen und ist das überhaupt noch zeitgemäß?
Oft werde ich gefragt, was Filou denn für eine Rasse sei. Ich antworte dann immer „polnischer Senfhund“. Die meisten sind irritiert oder nicken wissend und tun so, als ob sie diese Rasse natürlich kennen würden. Die gibt es aber gar nicht. Denn Filou ist vieles, aber bestimmt nicht reinrassig. Und mir ist das auch vollkommen egal.
Doch immer wieder treffe ich – auch auf dem Hundeplatz – auf Menschen, denen es enorm wichtig ist, dass ihr Hund reinrassig und mit Stammbaum ist. Außerdem soll er natürlich dem gängigen Rasse-Standard entsprechen. Aber muss das wirklich sein?
Vorab sei gesagt, dass ich mit diesem Artikel vielleicht einige Leute vor den Kopf stoßen werde. Das ist bestimmt nicht meine Absicht. Ich äußere hier lediglich meine Meinung, vielleicht regt es ja den ein oder anderen zum Nachdenken an. Aber am Ende des Tages muss jeder selbst entscheiden, welchen Hund aus welchen Gründen er in sein Leben lässt. Und vor allem, ob er diesem Hund dann auch gerecht werden kann.
Die meisten Rassehunde wurden für eine bestimmte Aufgabe gezüchtet
Kurz zur Erklärung: Die oben genannten rund 800 Hunderassen werden in 10 Gruppen unterteilt, die entweder Bezug auf den Charakter und/oder die Optik nehmen. Sprich darin sind Rassen vereint, die bestimmte Merkmale teilen. Gruppe 1 sind z.B. die „Hütehunde und Treibhunde“, Gruppe 6 die „Lauf- und Schweißhunde“ und Gruppe 10 die „Windhunde“.
Bei den ersten zwei genannten Gruppe ist klar zu erkennen, dass es sich um ehemalige Arbeitshunde handelt. Sie wurden konkret dafür gezüchtet, dem Menschen beim Hüten der Schafe oder bei der Jagd zu helfen. Ihre besonderen Fähigkeiten und Charaktereigenschaften wurden über Jahrzehnte gezielt weitervererbt, um den perfekten Helfer auf vier Pfoten zu erschaffen. Dazu zählen u.a. der Australian Shepherd, Weimaraner oder Labrador Retriever. Heute hingegen braucht der Mensch nur noch sehr sehr selten so einen Hund, der ihn tatsächlich bei der Arbeit hilft. Vielmehr sind die meisten Hunde einfache Familienhunde. Was nichts Schlechtes ist. Aber ich frage mich, ob es wirklich sinnvoll ist, einen bestimmten Rassehunde als Familienhund zu holen, der seiner eigentlichen Aufgabe dort gar nicht nachgehen kann – da sind Probleme schon vorprogrammiert.
Von der Perfektion zurück zur Normalität
Da sich aber vor allem der Golden Retriever und der Labrador Retriever zu richtigen Klischee-Familienhunden gemausert haben, gibt es mittlerweile sogar spezielle Zuchtlinien, die der Rasse ihr typisches eigenständiges Jagdverhalten wieder „entfernen“, damit er umgänglicher im Familienverband wird. Kein Scherz. Also nur, weil viele Leute rein aufgrund der Optik und/oder Beliebtheit sich so einen Hund holen, wird die jahrzehntelange Zucht wieder rückgängig gemacht. Sicher, diese Rasse hat natürlich auch einen hohen „Will to please“ und möchte dem Menschen gefallen, aber aus Erfahrung kann ich sagen, dass die „Problemhunde“ auf dem Hundeplatz meist Labradore sind, die als Familienhund gedacht waren und sich jetzt als Leinenrambo entpuppen.
Die Rasse entscheidet nicht allein über den Charakter
Wenn ihr schon einmal bei Google „familienfreundliche Hunde“ eingegeben habt, werdet ihr wissen, dass die Ergebnisse atemraubend sind. Ganz oben steht Folgendes: „Golden Retriever, Cavalier King Charles Spaniel, Dalmatiner, Beagle und Border Collie gelten als besonders kinderfreundlich, als liebe und süße Hunderassen. Sie eignen sich wunderbar als Familienhunde und sind wunderbare Hunde für Anfänger“. Drei der genannten Rassen sind eigentlich Jagd- bzw. Meutehunde, einer ist ein Hütehund und der andere ein früherer Wachhund. Wie kommt man also auf die Idee, genau diese Rassen als besonders familien-, ja sogar kinderfreundlich zu betiteln?
Meiner Meinung nach kann man das gar nicht so pauschal sagen. Mag ja sein, dass der Border Collie per se sehr auf Menschen bezogen ist, aber es muss nur mal einen blöden Zwischenfall beim Züchter mit Kindern während der Prägephase gegeben haben und – zack- findet der Hund Kinder bis an sein Lebensende erstmal sehr suspekt. Das hat nichts mit der Rasse zu tun, sondern einfach mit seinen Erfahrungen. Auch der Grundcharakter des Hundes spielt eine wichtige Rolle. Doch das Individuum geht bei Rassehunden gerne mal verloren. Schnell schleicht sich der Gedanke ein, dass jeder Beagle, jeder Golden Retriever gleich ist – Stichwort „Rassestandard“. Aber auch unter Rassehunden gibt es Charakterköpfe, es gibt Unterschiede innerhalb der Wurfgeschwister. Nur weil der eine Dalmatiner es liebt, mit seinem Menschen zu joggen, heißt das nicht, dass sein Bruder das genau so gerne mag. Da ist es egal, ob in der Rassebeschreibung „lauffreudig“ steht – jeder Hund ist einzigartig.
Optische Schönheit auf Kosten der Gesundheit
Eines der Probleme, das ich bei Rassehunden sehe ist, dass ein Großteil über die Optik geht. Klar, ich hab auch Hunde, die ich optisch einfach ansprechend finde. Dackel oder Corgis zum Beispiel. Aber ich weiß auch, dass diese Hunde aufgrund ihres Aussehens (kurzbeinigkeit) sehr oft Probleme mit den Gelenken und dem Rücken haben. Kann ich es also verantworten, dass ein Hund im blödsten Fall sein Leben lang gesundheitliche Probleme hat, nur weil ich die kurzen Beine so niedlich finde?
Und es geht ja noch extremer: Dalmatiner haben eine hohe Wahrscheinlichkeit taub zu sein, weil Züchter möglichst viele Punkte auf ihren Hunden haben möchten. Cavalier King Charles Spaniel werden nach dem Kindchen-Schema gezüchtet, sprich große Augen, kleiner Kopf, was zur Folge hat, dass das Hirn auf Dauer gequetscht wird, weil es schlicht zu groß für den Schädel ist. Nervenschäden sind die traurige Folge. Von anderen kurzschnauzigen Rassen wie Mops oder Französischer Bulldogge brauch ich hier gar nicht anfangen.
Die Liste ist schier endlos und man kann gut beobachten, das sogenannte „Trendhunde“ immer öfter auch gesundheitliche Probleme aufweisen, weil die Nachfrage so hoch ist, dass fragwürdige Züchter freie Bahn haben. Da wird auch mal ein „Rassehund“ auf ebay-Kleinanzeigen gekauft, weil er ja „so süß“ ist.
Sind Mischlinge die bessere Rasse?
Ich gehe ja noch mit, wenn ein Schäfer sagt, er braucht einen arbeitswilligen Vierbeiner an seiner Seite. Logisch, dass da ein Border Collie absolut geeignet ist. Aber wenn ich einfach nur einen Jogging- oder Sofa-Partner haben möchte, dann tut es meiner Meinung nach auch ein Hund aus dem Tierschutz. Ein Mischling. Eine Wundertüte, wie man so schön sagt.
Sicherlich bringen einige dieser Hunde auch ihre Probleme mit sich – aber da ist man bei Rassehunden auch nicht vor gefeit. Vor allem, wenn man an einen unseriösen Züchter gerät.
Aber wer sich einen Hund holt, möchte doch primär einen treuen Begleiter haben. Und das sind Mischlinge oder Hunde aus dem Tierschutz allemal. Und auch da finden sich lauffreudige, schnüffelfreudige und sogar „kinderfreundliche“ Charaktere. Man muss sich nur die Zeit nehmen, die Tiere vorab ein bisschen kennenzulernen, anstatt (übertrieben gesagt) einfach einen Hund aus dem Katalog auszuwählen.
Fazit: Ihr könnt es Euch vielleicht schon denken. Mein Fazit lautet, dass einige Rassen einfach überholt sind. Beziehungsweise, dass ein reiner Familienhund kein Rassehund sein muss. Ein Familienhund dient dazu, einem durchs Leben zu begleiten, gemeinsam mit einem auf dem Sofa zu liegen, zu spielen und Spaß zu haben. Er muss keine bestimmte Aufgabe mehr erfüllen, also braucht es dafür in meinen Augen auch keine bestimmte Rasse. Es gibt so viele wunderbare Hunde im Tierschutz, die obendrein auch noch schön aussehen, die nichts lieber hätten, als eine Familie, mit der sie zusammen leben dürfen.
Und mittlerweile gibt es sogar für so ziemlich jede Rasse einen Tierschutzverein: „Dobermänner in Not“, „Polarhund-Nothilfe“ etc. Also selbst wenn es zwingend eine bestimmte Rasse sein muss – aus welchen Gründen auch immer – gibt es auch da die Möglichkeit, einen Hund zu retten.